Was sich grün nennt, ist nicht immer grün

    Im Jahr 2022 hat sich die Bankiervereinigung eine Selbstregulierung zur Nachhaltigkeit gegeben. Darin ging sie weit – zu weit. Gerade deswegen ist nun der Bundesrat der Meinung weiter gehen zu müssen.

    (Bild: pixabay) Die Finanzbranche hat in den letzten Jahren das Thema Nachhaltigkeit für sich entdeckt.

    Greenwashing. So nennt man es, wenn der courant normal «grün» gewaschen wird. D.h. man nennt etwas umweltfreundlich oder nachhaltig, ohne dass es wirklich ist. Die Finanzbranche hat in den letzten Jahren das Thema Nachhaltigkeit für sich entdeckt. Seither preisen Banken und Fondshäuser ihre Produkte als «grün» an. Wie kann man aber sicher sein, dass wo grün draufsteht, auch grün drin ist?
    Es gibt eine einzige logische Antwort auf diese Frage. Sie lautet: Man lässt den Markt spielen. Keine andere Instanz ist besser darin, Informationen publik zu machen. Mit der Zeit würden sich im Markt Standards und Methodologien durchsetzen. Mit der Zeit würden Kunden die Anbieter klassieren. Mit der Zeit würde auffliegen, wer seine Versprechen hält.

    Was sich bewegt: todregulieren
    Doch so lebendig Marktprozesse wären, so unwillkommen sind sie. In diesem Falle war die Schweizerische Bankiervereinigung die allererste Gegnerin des Wettbewerbs. Mit ihrer «Selbstregulierungen im Bereich Sustainable Finance» preschte sie im Jahr 2022 vor. Mit ihr bringt sie die Branche auf einen gleichen Nenner.
    Gleichmacherei heisst Ausschalten von Innovation und von marktlichen Lern- und Innovationsprozessen. Gleichmacherei heisst vor allem: Kartell. Wer bezahlt dafür? Die Kunden.
    Das Kalkül der Banken war aber ein anderes. Wenn die Branche sich selbst reguliert, dann braucht es keine staatliche Regulierung – so die Überlegung. Die Selbstregulierung wäre dann ein Kompromiss zwischen Regulierungsbedarf und Selbstverantwortung. Das Dumme ist nur, dass der Kompromiss unüberlegt ist.

    Regulierungsaufforderung
    Dieser Kompromiss ist unüberlegt, weil es nicht einmal Regulierungsbedarf gibt. Ein freier, innovativer, wettbewerblicher Markt würde das Problem, so es eines überhaupt gäbe, lösen. Die voreilige Entwicklung einer Selbstregulierung ist geradezu eine Aufforderung an den Staat, tätig zu werden.
    Der Kompromiss der Bankiervereinigung ist auch deshalb unüberlegt, weil er nicht einmal die Selbstregulierung versteht. Diese ist ein vom Staat der Branche freigelassener Raum. Das heisst, der Staat muss mit der Selbstregulierung einverstanden sein und sie rechtlich sichern. In diesem Falle wurde sie voreilig erstellt, ohne überhaupt eine Zusage rechtlicher Natur eingeholt zu haben.
    Der Kompromiss ist drittens unüberlegt, weil er das Einmaleins der Verhandlung ausser Acht lässt. Jeder rationale Verhandler weiss: Bei dem, der sich voreilig anpasst, ist mehr zu holen. Wenn also die Bankiervereinigung ohne Zusage des Staates sich voreilig regulieren, weiss der Staat, dass er noch mehr Regulierung herausholen kann.

    Die Geister, die man rief
    So ist es gekommen: Nach einer Überprüfungsphase holte der Staat aus und will nun Greenwashing regulieren. Die Mitteilung des Bundesrates im Oktober 2023 ist klar: «Das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) wird eine Vorlage erarbeiten, um den Standpunkt des Bundesrates zur Vermeidung von Greenwashing umzusetzen.»
    Es geht hier also alleine um den Standpunkt des Bundesrates. Was die sich voreilig positionierende Branche will, ist also egal. Was der Markt will, oder wie er sich entwickelt, hat sowieso niemanden hier interessiert.
    Die Bankiervereinigung hat also mit ihrem Vorpreschen Geister gerufen, die sie nicht mehr bändigen kann. Damit ist es klar, dass es zu staatlichen Regulierungen kommt. Damit ist es auch klar, dass Banken die Kosten dieser Regulierungen auf die Kunden überwälzen werden. Und damit ist es klar, dass man als Kunde wieder einmal mehr bezahlt für weniger Service.

    Henrique Schneider


    Bundesratsbericht zu grünen Finanzen: Fragwürdig

    Der Bundesrat will eine Regulierungsvorlage zur Greenwashing-Prävention im Finanzsektor. Dabei stützt er sich auf ein eigenes Standpunktpapier vom Jahr 2022. Fragwürdiger könnte es nicht sein.

    Der Bundesrat hat im Dezember 2022 seinen Standpunkt bezüglich Greenwashing-Prävention im Finanzsektor veröffentlicht. Danach hat er verschiedene Konsultationen mit Stakeholdern gemacht. Davor gab sich die Schweizerische Bankiervereinigung eine diesbezügliche Selbstregulierung.
    Offenbar nützte das alles nichts. Denn in der Medienmitteilung des Bundesrates vom 25. Oktober 2023 heisst es apodiktisch: «Das EFD [Eidgenössische Finanzdepartement] wird dem Bundesrat bis spätestens Ende August 2024 eine Vernehmlassungsvorlage vorlegen. Falls die Finanzbranche doch eine Selbstregulierung präsentiert, die den Standpunkt effektiv umsetzt, wird das EFD auf weitere Regulierungsarbeiten verzichten.»

    Eigenes Papier geht vor
    Offenbar ist es dem Bundesrat wichtiger, die eigenen Vorstellungen durchzusetzen, als sich auf die real-existierende Welt auszurichten. Denn einerseits pfeift die Exekutive auf die bereits vorhandene Selbstregulierung der Banken. Und andererseits will der Magistrat auch nicht auf jene Stakeholder hören, die klar gesagt hatten, Nachhaltigkeit sei ein marktlicher Prozess und bedürfe deshalb keiner Regulierung.
    Der Bundesrat scheint sich auf den Standpunkt zu stellen, die Realität sei nicht wichtig. Alleine das eigene, in den warmen Amtsstuben Berns entwickelte Positionspapier sei für die Finanzbranche von Bedeutung. Was steht also in diesem Papier?

    Dilettantisch
    Schon auf Seite 2 des Papiers zeigt der Bundesrat, wie wenig er von der Sache versteht. Dort steht geschrieben: «Der Bundesrat ist daher der Meinung, dass es am Finanzmarkt ein einheitliches, klares Verständnis darüber braucht, unter welchen allgemeinen Voraussetzungen Anlageziele und damit Produkte und Dienstleistungen als nachhaltig bezeichnet werden können.»
    Das ist schon prinzipiell ein Problem. Denn Nachhaltigkeit ist ein weites Feld. Zu meinen, dass es eine «one size fits all» Lösung gibt ist falsch. Das sind Lösungen, die alle Akteure über die gleiche Leiste schlagen, also die gleiche Kleidungsgrösse für alle Körpergrössen, forcieren.
    Dann ist diese Zielsetzung auch praktisch unbrauchbar. Derzeit ist sich das Feld am Entwickeln. Zu jeder Entwicklung gehören Experimente, Vielfalt, Wettbewerb und Innovation. Wer jetzt schon alles normieren will, setzt die gesamte Entwicklung aufs Spiel. Damit macht der Bundesrat sicher, dass es in der Schweiz kein Sustainable Finance gibt.

    Falsch
    Noch interessanter äussert sich der Bundesrat auf Seite 3. «Finanzprodukte und -dienstleistungen, die allfällige ESG-Risiken reduzieren oder die Performance optimieren sollen, verfolgen ein rein finanzielles Anlageziel und sollten daher nicht als nachhaltig bezeichnet werden, sofern sie nicht zusätzlich eines der oben erwähnten Anlageziele verfolgen. Die reine Berücksichtigung von ESG-Risiken fällt vielmehr unter die treuhänderischen Pflichten.»
    ESG bezeichnet dabei die Aspekte Umwelt, Soziales und Unternehmensführung; also auf Englisch: environmental, social und governance. Offenbar kennt die Exekutive die Rechtslage in der Schweiz nicht. In keinem Gesetzestext ist festgehalten, dass ESG-Teil der treuhänderischen Pflicht ist. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall. Denn dort, wo ESG im Konflikt mit den kaufmännischen Zielen steht, sind Finanzziele vorzuziehen. Diese Grundlage hat sich weltweit etabliert und wird auch juristisch so durchgezogen.
    Dass der Bereich ESG – Environmental, Social, Governance – und die Nachhaltigkeit – Ökonomie, Ökologie, Soziales – Überschneidungen haben und nicht binär konzipiert werden können, scheint der Regierung genauso fremd wie die gesetzliche Grundlage zu sein. Mit anderen Worten, der Bundesrat jongliert mit Begriffen herum, die er selbst offenbar nicht versteht.

    Bürokratisierung
    Die Ansinnen des Bundesrates führen zur Bürokratisierung der Nachhaltigkeitsanlagen. Auf Seite 4 verkündet der praxisferne Bericht: «Die Umsetzung der oben erwähnten Transparenzgebote sollen von einem unabhängigen Dritten überprüft werden, um die Glaubwürdigkeit der Nachhaltigkeitsziele sicherstellen zu können.» Das heisst, jetzt muss noch eine Prüfstelle heran. Prüfer generieren Kosten. Kosten werden von Kunden bezahlt.
    Dass die Bürokratisierung Kosten generiert, dürfte die Regierung auch diesmal vergessen haben. Dass die höheren Kosten, zusammen mit den anderen wirklichkeitsfernen Regulierungen gerade diesen Produkten schaden, versteht man in Bundesbern vermutlich auch nicht.
    Eigentlich wäre die Schweiz ein guter Standort für grüne Anlagen. Oder für ESG. Oder für Nachhaltigkeit. Aber wir werden wohl nie erfahren, was das schweizerische Potenzial darin ist. Denn mit den Regulierungsprojekten des Bundesrates wird alles sofort so teuer, dass es nur noch wenige Leute interessiert. Selbstverständlich wird auch die gesamte Innovation in dem Bereich im Keim erstickt.

    Henrique Schneider


    Kurz erklärt:

    Klimaberichterstattung
    Der Bundesrat hat per 1. Januar 2024 die Verordnung zur verbindlichen Klimaberichterstattung grosser Schweizer Unternehmen in Kraft gesetzt. Publikumsgesellschaften, Banken und Versicherungen, die mindestens 500 Mitarbeitende beschäftigen und eine Bilanzsumme von mindestens 20 Millionen Franken oder einen Umsatz von mehr als 40 Millionen Franken aufweisen, sind verpflichtet, über Klimabelange öffentlich Bericht zu erstatten. Der erste Bericht wird über das Geschäftsjahr 2024 publiziert werden müssen.

    Greenwashing
    Damit die Finanzmärkte die Umweltrisiken gebührend berücksichtigen können, ist es eine wichtige Voraussetzung, dass sowohl in der Finanz- wie auch der Realwirtschaft eine qualitativ hochwertige Datengrundlage in Anlehnung an internationale Standards vorhanden ist. Eine erhöhte Transparenz zu Umweltrisiken und -wirkung erlaubt zudem eine effiziente Entscheidungsfindung der Anleger, fördert die Innovationskraft der Finanzwirtschaft und hilft, Greenwashing zu vermeiden. Derzeit bestehen verschiedene Methodologien, um Investitionen als «grün» oder «nachhaltig» zu klassifizieren. In der Schweiz besteht dazu weder eine gesetzliche Pflicht noch eine verbindliche Grundlage.

    Green Fintech
    Dank der effizienteren Nutzung digitaler Technologien werden Fintechs für den Finanzplatz zunehmend an Bedeutung gewinnen, entweder indem sie als Innovationspartner traditioneller Finanzakteure auftreten oder indem sie deren Wertschöpfung punktuell ablösen. Für die Nachhaltigkeit und künftige Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes sind Fintechs daher von zentraler Bedeutung. Der Bundesrat positioniert den Finanzplatz Schweiz als weltweit führend in der Ausnützung des Potenzials digitaler Technologien im Bereich Sustainable Finance (Green Fintech).

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