«Miteinander verschiedenster Technologien»

    Jörg Ackermann ist Präsident des Fördervereins H2-Mobilität Schweiz und langjähriges Kadermitglied von Coop. Im Interview äussert er sich zu den Zukunftsperspektiven von Wasserstoff und zu nachhaltigen Mobilitätslösungen.

    (Bild: zVg) Elektromobilität im geschlossenen Wasserkreislauf

    Herr Ackermann, was hat Sie persönlich dazu bewogen, sich für die Förderung der Wasserstoffmobilität in der Schweiz einzusetzen? Die Gründung des Fördervereins geht auf die Initiative von Coop zurück. Vor dem Hintergrund nachhaltiger Transportleistungen durfte ich dort mit einem Team den Mobilitätskreislauf im geschlossenen Wasserkreislauf in der Praxis aufbauen. An diesem überschaubaren Pilot- und Demonstrationsprojekt wollten wir Erkenntnisse gewinnen bezüglich Technologie und Wirtschaftlichkeit. Die positiven Ergebnisse gaben Anlass, die Initiative auf weitere Unternehmen auszuweiten.

    Ihr Projekt funktioniert im geschlossenen Kreislauf. Wie muss man sich das als Laie vorstellen? An einem Flusslaufkraftwerk wird mittels erneuerbarem Strom Wasserstoff produziert (H2). In einer Brennstoffzelle wird der Wasserstoff wieder «kaltverbrannt», das heisst wieder in Strom und Wasser (H2O) umgewandelt. Der so gewonnene Strom treibt einen Elektromotor an. Wasser als einzige Emission wird über den Auspuff ausgestossen, geht in die Atmosphäre, kommt in Form von Schnee oder Regen zurück auf den Boden und bildet einen Fluss. Der Kreislauf schliesst sich. Die erneuerbare Energie wird im Flusslaufkraftwerk wiederum in grünen, nachhaltigen Strom umgewandelt (siehe Grafik Wasserkreislauf).

    Welche Reichweite hat ein Wasserstofftank heute? Mit einer Tankfüllung haben die in der Schweiz verfügbaren Personenwagen eine Reichweite von 600 bis 800 Kilometer – je nach Fahrweise und Situation. Die schweren Wasserstoff-Elektro-Nutzfahrzeuge legen über 400 Kilometer zurück, bis sie wieder tanken müssen.

    Jörg Ackermann: «Mit einer Tankfüllung haben die in der Schweiz verfügbaren Personenwagen eine Reichweite von 600 bis 800 Kilometer.»

    Die Elektromobilität liegt im Trend. Allerdings denken die meisten dabei nur an batterieelektrisch betriebene Fahrzeuge. Welche Rolle kann und wird die Wasserstofftechnologie in Zukunft in der Schweiz spielen? In erster Linie geht es darum, das CO2 von der Strasse zu bringen. Dazu wird es verschiedene Technologien brauchen. Wasserstoff als Energieträger kann aufgrund seiner Fähigkeiten der Speicherung eine wichtige Rolle spielen, da er emissionsfrei und klimafreundlich ist. Zudem kann man ihn lokal und mit Überschussenergie produzieren.

    Sie bauen ein flächendeckendes Tankstellensystem auf. Wie weit sind Sie damit schon? Der Aufbau kommt plangemäss voran und entwickelt sich entlang der Verfügbarkeit und dem Einsatzgebiet von Wasserstofffahrzeugen.

    Dem Förderverein H2 Mobilität Schweiz gehören massgebliche Unternehmen an. Sie vertreten die Coop, mit dabei sind auch die Migros, Emil Frey sowie zahlreiche Transport- und Treibstoffunternehmen. Wie sieht die Zusammenarbeit all dieser Firmen aus? Der Förderverein ist eine Platt- form mit gemeinsamen Zielen und Grundsätzen, um der Technologie in der Schweiz zum Durchbruch zu verhelfen. Investitionsentscheide treffen die Mitglieder eigenständig.

    Ihr Verein wird von der Privatwirtschaft getragen. Welche Funktion hat der Staat? Konkret: Was wünschen Sie sich von der Politik? Von der Politik wünschen wir uns einen Regulierungsrahmen, der auf Nachhaltigkeit, Gleichbehandlung und Wirkungsorientierung ausgelegt ist und eine rasche Verbreitung ermöglicht.

    Ein grosses und derzeit heiss diskutiertes Problem ist die Versorgungssicherheit. Es drohen gefährliche Strommangellagen mit immensen Folgen für Gesellschaft und Wirtschaft. Was kann die Wasserstofftechnologie zu einer sicheren Versorgung beitragen? Die Energiewende braucht den dringenden Ausbau von erneuerbaren Energien aus Wasser, Wind und Sonne. Diese Elemente sind der Laune der Natur ausgesetzt und fallen sehr volatil an. Sobald das Angebot an erneuerbarem Strom höher ist als die Nachfrage, kann er in Form von Wasserstoff gross- technisch gespeichert werden.

    Das macht es für Investoren interessant, in regenerative Produktionsanlagen zu investieren, da er die gesamte Menge an produziertem Strom absetzen kann. Zudem wirkt die Speicherung netzstabilisierend.

    Der Aufbau kommt planmässig voran: Wachsendes H2-Tankstellennetzwerk.Der Aufbau kommt planmässig voran: Wachsendes H2-Tankstellennetzwerk.

    Erste Fahrzeuge mit Brennstoffzellen sind bereits auf dem Markt, etwa von Toyota oder Hyundai. Mit welchen Markanteilen rechnen Sie in den nächsten Jahren? Diese Frage übersteigt unseren Aktionsradius und wir wollen darüber nicht spekulieren. Wir gehen jedoch davon aus, dass die Verbreitung sehr rasch voran geht, sobald mehrere Modelle im Markt erhältlich sind. Darauf bereiten wir uns vor.

    Letzte Frage: Wie sieht Ihre Zukunftsvision für die Mobilität in der Schweiz aus? Diverse Technologien werden in der Mobilität zum Einsatz kommen. Dabei spielt die Praktikabilität in der Umsetzung eine wichtige Rolle. Es werden jene das Rennen machen, welche die Energiewende sinnvoll unterstützen helfen. Und letzten Endes wird der Kunde die Form seiner Mobilität mitbestimmen. So werden wir uns in dieser Dekade auf ein Miteinander verschiedenster Technologien einstellen können.

    Dr. Philipp Gut

    Vorheriger Artikel«Wir wollen Unternehmer inspirieren sich für echte unternehmerische Nachhaltigkeit zu engagieren!»
    Nächster ArtikelGlasgow und die Schweiz: Taten statt Worte